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Die Verwendung des Klaviers für das Präsentieren eines Stückes

Das ist eine schwierige Sache, wenn man nicht guter Klavierspieler und noch dazu ein guter Korrepetitor ist. Ich erzähle zuerst die "Theorie" und dann praktische Möglichkeiten – wobei's von letzteren eigentlich nur zwei gibt: Man kann das von der Chorpartitur weg; oder man muss es ziemlich akribisch vorbereiten; aber dazu weiter unten.
Das Vorstellen eines Stücks am Klavier soll dem Chor eine ganze Reihe von Informationen liefern:
  • Die erste, nicht so unwichtige, ist, dass dem Chorleiter und auch allen das Stück Vergnügen machen soll. Dazu muss man das Stück schon halbwegs "lässig" rüberbringen - siehe weiter unten.

    Noch vor dem musikalischen Vorstellen braucht es meiner Meinung nach auch ein paar (wenige) einführende Worte: "Als nächstes nehmen wir uns diese Jazz-Messe vor, die erstaunlicherweise mit einem getragenen, ganz einfachen Kyrie beginnt, das aber doch swingen soll" (frei erfunden, ich kenn keine solche Messe).
    Wieso? "Ein schlechter erster Eindruck lässt sich durch keinen guten zweiten Eindruck reparieren": Die einen erwarten bei "Jazz-Messe" was schwungvolles - sind schon enttäuscht vom langsamen Tempo; die anderen fürchten sich vor "schwierigem Jazz" - sollen wissen, dass es gar nicht so arg wird; usw.

  • Zweitens: Der Chorsatz – das ist die Melodie (wenn es nur eine gibt; das kann auch aufwendiger sein ...) und "einiges" der Mittelstimmen.
  • Drittens: Das harmonische Gerüst – einerseits die harmonische Abfolge; aber andererseits auch das "harmonische Sprache" - welche Akkorde, welche Reibungen, welche Akkordübergänge muss man erwarten?
  • Viertens: Tempo und Rhythmus – im "Pop"-igen ganz wesentlich, umso mehr, wenn später ein Schlagzeug oder eine Band mitspielen werden: Das Eingrooven auf richtiges Tempo und Rhythmus macht oft ein Stück mehr aus als sogar die Melodie.
  • Fünftens: Die Bass-Linie – weil i.d.R. harmoniebestimmend, weil hörbare Außenmelodie, weil oft stilbestimmend.
... das war's dann schon. O du mein Gott!

Wie geht man das an, wenn man nicht so großartig ist wie Michael? – wenn man sich also vorbereiten muss und will.

Ich glaube, dass dann am Notenschreiben kein Weg vorbei führt. Es ist aber ein "experimentelles Notenschreiben", wo man immer gleich ausprobiert, was geht; und dann hemmungslos die Noten auf seine Fähigkeiten anpasst.
Was man ganz am Anfang braucht, ist ein "Aufteilungsmuster" der Punkte oben auf die zwei Hände. Ich werde mich vorerst auf ein einziges Muster beschränken:

Melodie mit Chorsatz rechts, Bass und Begleitung (= vor allem Rhythmus, vielleicht Begleitungsharmonien) links.

Ich hab nun einmal mit zwei Stücken ausprobiert, was ich tun würde – ein Stück "für Jungscharchor" von H.-J. Zimmermann, und ein Stück aus dem 4. Band von Jeff Guillens "Ultimate Gospel Choir Book".

Es gibt mehrere Fälle: Zum ersten kann es sein, dass man gar kein Arrangement hat, sondern nur eine Melodie mit Akkordnamen. Dann muss man zuerst auf jeden Fall die Grundzüge eines Arrangements schreiben: (a) Stil, und damit im Pop oft schon das hauptsächliche Begleitmuster, Tempo und Rhythmus-Feeling (eventuell unterschiedlich in Verse und Chorus; oder unterschiedlich bei Soli und Tutti und Call/Response); (b) Akkordsprache; (c) polyphone Muster im Chor, wenn man sich das so einbildet ... und viel mehr. Dazu muss es hier irgendwann eigene Postings geben.
Also nehmen wir nun an, wir hätten ein voll ausgeschriebenes Arrangement, mit Chorstimmen und einer Klavierbegleitung, womöglich aber auch Schlagzeugrhythmus und mehr. Das muss man nun "eindampfen". Ich glaube, das Folgende ist ein akzeptables Vorgehen:
  1. Man macht sich eine Kopie (für private Zwecke), nimmt einen Bleistift und Radiergummi und setzt sich ans Klavier (aller Anfang ist leicht :-) ).
  2. Man sucht sich die Melodie samt einfachem (d.h. akkordischen Teil vom) Chorsatz zusammen – das ist das, was ein Zuhörer vor allem hört. Das kann ganz einfach die Sopranmelodie mit den Akkorden darunter im gleichen Rhythmus sein; aber manchmal ist es viel mehr: Bei Gospels natürlich Call-Response zwischen einer Solistenmelodie und chorischen Antwortstücken. Was man sich zusammensucht, ringelt man mit dem Bleistift ein (die Noten schauen danach schrecklich aus ...).
  3. Als Basslinie spielt man zuerst einmal nur die Grundtöne, die einem die Akkordsymbole vorgeben, im Schlagryhthmus des Taktes.
Ok, ich schau mir das an den Beispielen an.
Hier ist die erste "Bleistiftringlerei" des Zimmermann-Songs, arr. von J.Borsch. Der Deutlichket halber habe ich die Bleistiftmarker lila unterlegt, und die Basstöne orange (klick auf das Bild öffnet das PDF mit beiden Seiten):
Das ist eigentlich einfach, aber man muss sich's trotzdem überlegen: Zuerst, bis T.8, natürlich S/A, dann bis T.15 der Bar(iton), dann bis T.24 wieder S/A, ab dort dann zusätzlich der Bar. (weil er Harmonien im gleichen Rhythmus liefert), ab T.28 bis T.31 plötzlich der Alt (! – bezeichnet mit c.f. = "cantus firmus", also "Melodie"), T.32 bis T.36 S/A samt Bar., und dann bis zum Schluss noch einmal der A mit dem c.f., aber nun zusammen mit dem Bar. wegen der Harmonien.
Eine Begleitung gibt es hier nicht, also bleibt's vorerst bei diesen geschlagenen Grundtönen; so richtig schön ist das nicht ... aber das besser zu machen, geht über das reine Präsentieren hinaus – kommt in einem späteren Posting hier.
So hört sich das an, wenn ich's probiere, vor mich hin scheitere und und daher vielleicht weitere Dinge in die Kopie schmiere, die ich weglassen will:


Und, zuletzt, hier in schönen Noten die Präsentation ausgeschrieben, zum Üben. Den Text der ersten Strophe und Infos zu den Stimmen habe ich reingeschrieben, weil man das dem Chor vielleicht direkt hier, beim Präsentieren, erklären will. Die kleinen Noten kann man spielen, wenn man will – sie liefern mehr harmonische Information; manche (gegen Ende z.B.) sind aber frei erfunden:


Dasselbe auch für die erste Seite "What a Friend" von J.Guillen: Im Prinzip reicht hier die Sopranstimme; aber die "Fills" vom Klavier in den meisten zweiten Takthälften sind so charakteristisch, dass man sie zur Melodie mitnehmen sollte (aber piano spielen will, damit beim Zuhören klar ist, was der Chor macht). Diese Fills habe ich weiter unten, in der "Präsentations-Partitur", in kleinen Noten geschrieben, und man kann sie weglassen, wenn sie einen beim Spielen stressen; oder nur teilweise spielen ... das muss man ausprobieren. Wieder der Reihe nach die Notizen, ein Video und die ausnotierte Präsentation für die erste Seite:





Hier beende ich einmal meinen Versuch, das Präsentation-Erstellen zu systematisieren. Gerne Kommentare, Rückfragen, was auch immer!

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